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Dülmener Sagen, alte Ratsprotokolle und die Geschichte eines jüdischen Mädchens aus Dülmen – lebendige Erinnerungskultur in Dülmen

Die Erinnerung an die Vergangenheit unter die Menschen der Gegenwart bringen und lebendig erhalten – das ist einer der vielen Aufgaben des Stadtarchivs, und das ist auch ein wichtiger Teil in der Arbeit des Dülmener Heimatvereins. Wenn dies gelingt und auf positive Resonanz bei den Menschen in Dülmen stößt, dann freut das den Stadtarchivar sowohl als Historiker wie auch als Mitglied im Vorstand des Heimatvereins.
Schöne Beispiele dafür waren die beiden Leseabende des Heimatvereins, bei denen wir im Oktober 2015 „Sagenhafte Geschichte(n)“ und im November 2016 Dülmener Ratsprotokolle aus dem 17. Jahrhundert präsentierten. Dabei zeigte sich für uns und die zahlreich erschienenen Gäste, dass auch auf den ersten Blick so trocken wirkende Dokumente wie alte Protokolle spannende Zeugnisse über das Leben der Menschen in unserer Stadt vor mehreren hundert Jahren enthalten können.

Schön ist es auch, wenn wir positive Rückmeldungen auf Beiträge in den Dülmener Heimatblättern erhalten und sehen, dass die Ereignisse von früher auch heute noch relevant sein können.

Ein ganz besonderes Projekt der Erinnerungskultur und zugleich eine schöne Kooperation von Schule, Archiv, Heimatverein und anderen Partnern war 2015 für mich – und sicher auch für viele andere – die Erstellung des Kinder- und Jugendbuchs mit der wunderschön bebilderten Erzählung von Helga Becker-Leeser über ihre Kindheit und Jugend in Dülmen und Rotterdam, wo sie die nationalsozialistische Judenverfolgung mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in einer Versteckwohnung überlebte.
Ich finde es wichtig, dass wir in Dülmen so eine vielfältige und von vielen Partnern getragene Erinnerungskultur haben, in dem es dem Heimatverein – oft in Kooperation mit Archiv und Schule – gelingt, die Vergangenheit in lebendiger Form zu den Menschen der Gegenwart zu bringen. So kommt es immer wieder zu schönen Momenten wie den oben genannten – und ich bin sicher: weitere werden folgen.

Dr. Stefan Sudmann

Manchmal schon fast vergessenen Orte, üben ihren Reiz aus.

Geschichte ist spannend. Immer, wenn man etwas entdeckt, wird das Interesse geweckt. Das ist in Dülmen, unserer Heimat, nicht anders. Und ich freue mich, wenn ich das erworbene Wissen teilen kann und zudem andere ein ebensolches Interesse zeigen. Aus meiner Sicht ist es außerordentlich wichtig, dass das Wissen geteilt wird, damit jeder daran teilhaben kann und es vor allem nicht verloren geht. Der Blick in die Geschichte ist zudem eine wichtige Komponente für den Blick in die Zukunft.

Besonders in Erinnerung sind mir Funde aus der industriellen Vorgeschichte wie die der Eisenbahn, bei der es aber auch noch viel zu entdecken gilt. Finden sich dann Relikte, die man fotografisch auswerten kann, ist die Freude besonders groß. Aber auch alle anderen, manchmal schon fast vergessenen Orte, üben ihren Reiz aus. Der Erhalt derartiger Orte, zu denen zum Beispiel auch das Sondermunitionslager im Dernekamp gehört, ist für mich eine wichtige Komponente im Umgang mit der eigenen Geschichte, unserer Erinnerungskultur.

Bei dem Blick in die Vergangenheit hat der Umgang der Menschen untereinander aber auch die Bedeutung der Heimat einen besonderen Stellenwert. Teile der Bevölkerung zeigte sich in der Vergangenheit wie in der Gegenwart anderen Nationalitäten oder Konfessionen leider nicht so, wie man es von einem menschlichen Miteinander erwarten würde.

Dies konnte man noch in den 1980er Jahren gut bei Angehörigen der evangelischen Kirche spüren, die teilweise sogar ausgegrenzt wurden. In der Gegenwart spiegelt sich ein ähnliches Verhalten im Umgang mit Angehörigen der islamischen Religion wider. Nicht zu vergessen, dass uns die Geschichte in brutaler Weise zeigt, dass dies bei der jüdischen Religion nicht anders war. Aufklärung vor dem geschichtlichen Hintergrund auch über den Heimatverein halte ich für eine essentielle Komponente, um Vorurteile zu entkräften sowie nationalistischen, rassistischen oder diskriminierenden Bestrebungen entgegen zu wirken.

Der Heimatverein Dülmen bekennt sich zu einem toleranten Heimatbegriff. Alle, die sich hier Zuhause oder mit dem Ort verbunden fühlen oder unser Dülmen zum Wohnort gewählt haben, sind Teil unserer Heimat. Aus meiner Sicht ist das nicht nur eine Grundvoraussetzung, sondern ein positives Merkmal unseres Heimatverein, das es zu unterstützen gilt.

Dietmar Rabich